Skyfall – oder Reinfall?
Die Kritik hat ihn geliebt, wie es scheint. Das Publikum ebenfalls. Ich… nicht so sehr. Warum können Sie sich, wenn Sie die vorhergehenden Artikel (klingt vielleicht doch besser als Kapitel) gelesen haben, wahrscheinlich schon selbst zusammenreimen.
Ich hab nichts dagegen, wenn man bei Bond etwas Neues versucht. Nehmen wir zum Beispiel die erste Stunde von „Stirb an einem anderen Tag“. Sie zeigt, wie man so etwas gut macht: Bond gerät in Gefangenschaft, wird mit Musik von Madonna gefoltert, wird von seinen eigenen Leuten fallengelassen, muss sich selbst wieder berappeln und darf dann, nachdem er sich als würdig erwiesen hat, wieder für Mutter M arbeiten. Ab da driftet der Film mit Eispalast und Kampf im Flugzeug zum Über-Bond ab, der mal wieder alle Bondklischees bis ins äußerste steigern muss. Leider führt das eher zum Absturz als zum Höhenflug. Nichtsdestotrotz, bis Eispalast das Beste, was Bond in den letzten Jahren gezeigt hat. „Skyfall“ dagegen… seufz!
Alles neu macht der Sky?
Dass „Skyfall“ die wenigen Bondformalien nicht erfüllt, dürfte uns allen wohl inzwischen klar sein. Und, machen wir uns nichts vor, kein Bondfilm hätte eine starke Nutzung des Bondthemas so sehr gebraucht, wie „Skyfall“ (außer „Toast“), denn wenn man den Hauptdarsteller schon nicht für James Bond hält, dann sollte einem wenigstens die Musik so etwas vortäuschen. Tut sie aber nicht. Ganz ehrlich, ich kenne Pornofilme, deren Soundtrack mehr nach Bond klingt als das hier.
Man hätte es ja ähnlich konsequent machen können wie in „Casino Royale“, wo das Bond Thema langsam in kleinen Schritten in die Musik eingebaut wird, um an Ende zum Bond Thema zu kulminieren, so wie wir es kennen (weil Bond jetzt Bond ist). Bei diesem Film hätte man in der Actionsequenz am Anfang voll das Bond Thema fahren sollen und es dann, während Bond zu sich und dem Secret Service zurück findet, langsam wieder aufbauen können. Ja, „Casino Royale“ hat das sehr konsequent gemacht… aber das ist das Hauptproblem, das ich mit „Skyfall“ habe: Der Film ist von vorne bis hinten inkonsequent.
„Sturz aus allen Wolken“
Bond soll realistischer sein. Hmja, genau. Warum hat M dann eine Festplatte mit wichtigen Daten irgendwo in der Türkei herumliegen? Warum kennt Bond die Frau, mit der er arbeitet nicht (gut, er steigt zu jeder Tussi ins Auto, das kann man gelten lassen). Warum schießt Eve nicht noch mal, nachdem sie Bond getroffen hat? Warum merkt sie sich nicht, wie der Bösewicht ausgesehen hat? Warum überlebt Bond den Sturz in die Tiefe? Warum ist Silvas Plan so scheißkompliziert?
Damit sein Plan funktioniert, muss Silva davon ausgehen, dass
a) Bond den Attentäter überwältigt,
b) seinen Platz einnimmt,
c) den Waran (würg!) im Kasino überlebt,
d) auf Sex unter der Dusche steht und
e) zu seiner kleinen Insel kommt, nicht zu vergessen
z), dass da irgendwann irgendwo unter der Erde von London genau zur richtigen Zeit eine U-Bahn kommt, unter der Bond steht.
Jau, das ist natürlich viel realistischer als das unsichtbare Auto (und das war schon schwachsinnig!). Und Sie haben völlig Recht, normalerweise würde man solche Fragen bei einem Bond Film nicht stellen, aber wenn die Macher in Richtung „realistischer“ gehen wollen, dann werden sie sich wohl oder übel diese Fragen gefallen lassen müssen.
Konsequent inkonsequent
Zwei Filme lang hat man uns deutlich gesagt: Bond fängt an. Und hier: Zu viele Einsätze, zu alt, ausgebrannt. Inkonsequent!
Die Aston Martin Szene: Schön, das Bondthema endlich wieder laut und knackig zu hören – aber dieser Bond hat diesen Wagen nie gehabt, es ist sein Privatwagen (sagt er selbst), also warum weiß M vom Schleudersitz… INKONSEQUENT! Und, viel schlimmer, die Szene ist brachial und unelegant. „Stirb an einem anderen Tag“ hat die Reise durch 40 Jahre Bond weit netter und liebevoller eingebaut.
Dann sagt Q süffisant, dass man so was wie explodierende Füllfederhalter nicht mehr mache, zitiert aber trotzdem aus der guten alten Zeit, dass er es schön fände, wenn Bond die Sachen heile wieder mitbringen würde – Leute, entscheidet euch für eins, aber sich über das alte lustig machen und doch davon naschen zusammen geht nicht. In-kon-se-quent! (Früher hatte Bond immerhin noch eine schnippische Bemerkung, Q glaube gar nicht, wie viel Verschleiß es im Kampfeinsatz gebe zur Hand, aber das war ja auch ein anderer Bond.)
Zeit auf Daniel Craig einzugehen? Bond war mal charmant, süffisant, elegant. Craig wirkt auch im dritten Film trotz maßgeschneiderter Anzüge noch klobig und ungeschliffen. Vielleicht ändert sich das ja im nächsten Film… aber das hab ich auch schon vor zwei Filmen gehofft.
Bond, eine Charakterstudie
Zieht man also ab, dass es kein rechter Bondfilm ist, was bleibt dann noch? Die „Handlung“. Und die haben wir, das wird vielen nicht gefallen, in „Stirb an einem anderen Tag“ irgendwie schon mal und besser gesehen. Bond fällt, bleibt von der Bildfläche verschwunden und kehrt dann zurück… Traurig zu sagen, dass Sonnyboy Brosnan Charakterdarsteller Craig hier locker an die Wand spielt.
Denn dass Bond mal nen Bart hat und sich in ner Strandbar auf Malle die Kante gibt macht noch keine Charakterstudie. (Ja, ich weiß, es war in der Türkei.) Da wird Tiefe vorgetäuscht… aber eigentlich nur angedeutet.
Ja, bei dem Wort „Skyfall“ wird Bond böse… aber eingehend beleuchtet wird das nicht. (Weil er das Haus schon immer gehasst hat, gähn.) Ich sage nicht, dass in „Skyfall“ nicht ein guter Film drinsteckt, doch, doch, man hätte durchaus einen daraus machen können. Sogar einen Bond Film. Hat man aber leider nicht. Die Tiefe, die da sein sollte, wenn man sich schon weigert, einen Bond Film zu machen, fehlt ebenfalls. Aber hey, für die Kritiker hat’s gereicht. (Und sollte einer von euch erwähnt haben, wie toll und originell und cool die Szene mit dem spiegelnden Glas in Shanghai war – hat Regisseur Sam Mendes schon mal gemacht. Sogar mit Daniel Craig!)
Also von Inkonsequenz durchzogen, keinerlei emotionale Begründung (zum Beispiel warum dieser Bond diese M beschützen will, obwohl sie ihm selten guten Grund dafür gegeben hat) und letzten Endes dann ja auch eigentlich nur eine hyperkompliziert gestaltete Rachegeschichte (Mit seinen Fähigkeiten hätte Silva problemlos nach London fahren und M umlegen können, wenn er das gewollt hätte). Dazu kommt noch „Kinkaid“, der so wirkt, als hätte man die Rolle für Connery geschrieben, was auch alles in allem viel mehr Sinn ergeben hätte… aber statt sie dann wenigsten mit Roger Moore einem anderen Alt-Bond zu geben, verpufft mit der Besetzung von Albert Finney hier das möglicherweise angedachte „Schließen des Kreises“.
Auf der positiven Seite: Der Film ist schön fotografiert. Und der Titelsong ist gut. Klingt wie Bond – so ziemlich als einziges im Film.
Eleganz war früher mal
Dann noch die mangelnde Eleganz mit der Moneypenny eingeführt wurde. Wäre es denn so schwierig gewesen, zu schreiben:
BOND: „Du arbeitest jetzt für M? Wie muss ich dich dann nennen? Miss…“
EVE: „Moneypenny, der Name ist Moneypenny.“
Einfach, elegant und nicht so plump wie im Film.
Und dass aus MMMMMMallory der neue M werden würde, war dann auch nicht sooooo überraschend.
Oh, es wird immer wieder gerne hervorgehoben, dass mit dieser neuen Moneypenny den Frauen mal eine stärkere Rolle gegeben wird, als sonst nur wie ein Püppchen herumzustitzen und gut auszusehen. Das bedeutet also, es wird ein besseres Frauenbild gezeigt, wenn man sie als absolut unfähige Agentin darstellt, die in ihrem Job völlig inkompetent ist und deswegen dann später als Sekretärin ihres Chefs arbeitet? Gut, für Bond vielleicht schon!
Aber kommen wir zum Ende… des Films. Auch da ist Silvas Vorausdenken irgendwie… realistisch. Er schickt 20 Leute als Vorhut los, sagt dann aber erst später den Leuten, mit denen er ankommt, dass er die Frau selber umlegen will. Tja, gut, wenn man unfähiges Personal beschäftigt, sonst hätte die Szene nämlich auch ganz anders aussehen können…
Ende gut, alles tot
Silva kommt an. Seine Leute erwarten ihn. Alles ist ruhig.
SILVA: Where are they?
KILLER: We killed them.
SILVA: What?
KILLER: We killed them. All of them.
SILVA: But… what about the woman?
KILLER: We killed her, too. And some groundskeeper.
SILVA: WHAT?
KILLER: Was our job, wasn’t it. I mean, you hired us for that. And we are professionals.
SILVA: But… I wanted to kill her.
KILLER: You didn’t tell us.
SILVA: But… but… HOW?
KILLER: Oh, we stole a policecar and knocked at the door. They opened and we killed them.
SILVA: But… that… is…
KILLER: Good work. High five? No.
SILVA: But… this is all wrong. I wanted to kill the woman.
KILLER: Then why didn’t you tell us?
SILVA: Because I thought you would be dead by now.
KILLER: Well, thanks for the vote of confidence, man. We’re pros! And, by, the way, we wanna get payed!
Na, das wäre doch ein viel besseres Ende gewesen. Und vor allem: Viel realistischer!
von Martin Cordemann