Der Doktor hat ein neues Gesicht… aber langsam wird es schwierig, zu sagen der wievielte Doktor es eigentlich ist, denn irgendwie ist die Reihenfolge inzwischen rückwirkend auch ein wenig durcheinander gekommen – aber warum auch nicht rückwirkend, denn immerhin handelt es sich ja um einen Timelord und damit um einen Zeitreisenden. Aber mal halbwegs mathematisch, Sylvester McCoy war der siebte Doktor, Paul McGann der achte und Christopher Eccleston der neunte, was David Tennant zum zehnten, Matt Smith zum elften und diesen hier zum zwölften Doktor gemacht hätte… bis man rückwirkend John Hurt als den Kriegsdoktor einführte (oder rückführte), der aus Paul McGann entsprang (siehe „The Night of the Doctor“), womit alle eine Nummer aufrücken und Eccleston 10 wird, Tennant 11, Smith 12 und wir mit Peter Capaldi nun den 13. Doktor begrüßen dürfen… obwohl ich nicht weiß, ob die offizielle Who-Schreibung das so mitmacht! Wie dem auch sei, in „Die Zeit des Doktors“ rechnet Smith die Sache nach und kommt zu einem anderen Ergebnis, das durch eins der Specials in dieser Box unterstützt wird, was heißt, dass sich die Macher der Serie dieser Tatsache(n) durchaus bewusst sind.
Deutschland Who
Aber kommen wir, bevor wir uns dem Inhalt dieser (blauen?) Box widmen, zu unserem ausgiebigen Exkurs über „Doktor Who“ in Deutschland. Wir erinnern uns, dass sein Werdegang in unserem Land ein wenig holperig war. Erst kam Dr. 7 McCoy, dann wurden zwei Staffeln mit Dr. 6 Colin Baker nachgeholt… und beim Neustart der Serie war das nicht ganz unähnlich. Pro7 versuchte sein Glück und ließ die Staffel mit Christopher Eccleston und die erste mit David Tennant (Staffel 1-2) synchronisieren. Die Ausstrahlung… war jedoch wohl nur mäßig erfolgreich und so verbannte man den Doktor erst ins Nachmittagsprogramm und dann ganz vom Bildschirm, ohne die Tennant-Staffel gezeigt zu haben (es endete mit dem Weihnachtsspecial, in dem Tennant eingeführt wurde und wenn der Rest dann noch ausgestrahlt wurde, hab ich nichts davon mitbekommen). Dann wurde es erstmal ruhig um den Doktor, bis irgendeiner der neuen Digitalkanäle sich seiner annahm: mit Matt Smith. Das wurde offenbar ein Erfolg, so dass man nicht nur Matt Smith komplett (Staffel 5-7) ausstrahlte (und auf DVD herausbrachte), sondern, wie einst bei Baker, auch wieder einen Schritt zurück machte: was von Tennant noch fehlte (Staffel 3, 4 und die Specials) wurde nachgereicht und die fehlenden Zwischenstücke damit komplettiert. Die Erscheinungsreihenfolge ist also in etwa 1-2, 5-7, 3-4.
Womit wir bei den deutschen Stimmen des Doktors wären. Christopher Eccleston wurde bei uns von Frank Röth gesprochen, der dem britischen Schauspieler u.a. auch in „Für alle Fälle Fitz“ die Stimme geliehen hatte. Serienfans dürfte er vor allem als deutsche Stimme von Christopher Meloni bei „Law & Order“ vertraut sein. Für David Tennant engagierte man den versierten Schauspieler und Synchronsprecher Philipp Brammer, den man auch für die fehlenden Staffeln sowie das Special „Der Tag des Doktors“, in dem sich Tennant, Smith und Hurt treffen, noch einmal holte – zum letzten Mal, leider, da er traurigerweise wenig später ums Leben kam. Matt Smiths deutsche Stimme ist der Schauspieler Tobias Nath, was für mich anfangs einen merkwürdigen Beigeschmack hatte, da mir seine Stimme irgendwie in einem unangenehmen Zusammenhang vertraut vorkam, bis mir einfiel, dass er den neuen Q spricht und Sätze wie „explodierende Füllfederhalter machen wir nicht mehr“ sagte. Sowas kann einen schon negativ prägen. Der Vollständigkeit halber soll auch John Hurt nicht unerwähnt bleiben, der bei seinen beiden Auftritten von Fred Maire gesprochen wurde, einem Synchronaltmeister, zu hören in einigen Folgen von „Raumschiff Enterprise“, für Ed Harris in „The Abyss“ und beim letzten Auftritt des leider ebenfalls kürzlich verstorbenen Leonard Nimoy als Spock. Was uns zu Peter Capaldi bringt – bei dem sich sprechertechnisch mehrere Kreise zu schließen scheinen, oder zu öffnen, geht ja um Zeitreise. Als seine deutsche Stimme wurde Bernd Vollbrecht ausgewählt. Der ist nicht nur der Stammsprecher von Antonio Banderas, sondern auch der Berliner (Frank Röth war der Münchner) Stammsprecher von Christopher Eccleston. Außerdem sprach er inzwischen mehrfach für David Tennant – fehlt also nur noch eine Neusynchro eines John Hurt Films und ein Einsatz für einen auf alt geschminkten Matt Smith und er hat sie alle durch.
Natürlich wäre es nur recht und billig, hier auf die Qualität der deutschen Fassung einzugehen… aber dazu reicht die Zeit wohl nicht. Ich meine, die Staffel komplett auf englisch und deutsch zu gucken. Also nur eine kleine Spitze zu diesem Thema. Wobei wir nichtmal darauf eingehen wollen, dass es schwierig ist, Matt Smiths Schauspiel adäquat zu übertragen, gehen wir also nur kurz auf die Wortwahl ein, denn ich habe Matt Smiths letzte Staffel auf deutsch gesehen und das muss für diesen Exkurs reichen: Wenn man in einer Szene die Daleks auf deutsch „Doktor Who?“ als Frage aussprechen lässt, obwohl es eigentlich, sinnvoll, und überhaupt „Doktor Wer?“ hätte heißen müssen, dann ist das traurig… aber leider nicht neu, weil es selbst bei Sylvester McCoy so gemacht wurde. Einen faden Beigeschmack hat es trotzdem. In einer Westernepisode, die im alten wilden Westen spielt, dann aber auf deutsch von „Aliens“ und „Gunslinger“ sprechen zu lassen, geht nun aber wirklich nicht, denn es ist anachronistisch und falsch. Nicht der Zeit entsprechend, in der die Folge spielt, denn da hätte man von „Revolverheld“ und „Außerirdischem“ gesprochen, oder „Fremden“, und so sind diese englischen Begriffe irgendwie ein starker Fremdkörper. Hoffen wir, dass sie es in dieser Staffel besser gemacht haben… oder, dass es keine Westernfolge gibt!
The Doc of it
Wir alle kennen Peter Capaldi. Gut, vielleicht nicht. Denn die Serie, die ihn in England wohl am bekanntesten gemacht hat, die Politsatire „The Thick of it“, lief bei uns nie (und die Filmauskopplung „In the Loop – Kabinett außer Kontrolle“ dürfte auch kaum jemand gesehen haben). Dass er in „World War Z“ einen W.H.O.-Doktor gespielt hat, dürfte inzwischen zum Allgemeinwissen gehören. Die Frage, die sich stellt, ist jedoch: ist er der erste Gaststar bei „Who“, der zum Doktor wurde? Ich… weiß es nicht. Tippe aber auf ja.
Bei den Mitreisenden ist das allerdings an der Tagesordnung, also, dass sie vorher in einer Episode in einer möglicherweise anderen Rolle auftauchten. Freema Agyeman spielt eine Verwandte von Dr. Jones, die im Finale von Staffel 2 den Cybermen zum Opfer fällt, Catherine Tates Donna taucht als Braut auf, bevor sie später zur Begleiterin wird und auch Jenna Colemans Clara hat zuerst zwei Gastauftritte.
Peter Capaldi hatte ebenfalls zwei Gastauftritte – in zwei Serien und zwei unterschiedlichen Rollen. Er präsentierte sein römisches Antlitz David Tennant in Pompeji (Staffel 4) und war wenig später ein hohes Tier der britischen Regierung im „Torchwood“-5-Teiler „Kinder der Erde“. Vergleicht man diese beiden Auftritte und nimmt noch seinen ständig Beleidigungen ausströhmenden Charakter bei „The Thick of it“ in die Rechnung mit auf, dann hat man einen sehr versierten Schauspieler vor sich, der in der Lage ist, Rollen unterschiedlich anzulegen und eine angenehme Bandbreite vorzuweisen. Von dem Standpunkt kann man vom neuen Doktor also einiges erwarten. Die Frage ist: Was? Nun, dann wollen wir mal sehen…
51 Jahre, 13 Doktoren, 8 Staffeln
Oder eher 34? Staffeln? Etwa? Die erste Box von Sylvester McCoy ist Staffel 24, dann hatte er noch zwei… aber zählt der Film als Staffel? Oder die Specials von Tennant? Oder die von Smith? Ach, wen interessiert’s, dies ist die 8. Staffel nach der Wiedergeburt des Doktors durch Geburtshelfer Russell T. Davies und viel hat sich verändert. Vor allem zwei Dinge: Die Tardis und der Doktor. Denn beide sind in einer Art Symbiose miteinander verbunden und wenn der Doktor ein neues Gesicht bekommt, dann erhält auch sein Zeitmaschinenraumschiff ein neues Interieur. Doch das fällt weniger ins Gewicht als der Doktor selbst. Und der ist, wie üblich, anders. Irgendwie geht man wieder ein wenig in Richtung Eccleston. Der war der Doktor, bei dem man das Gefühl hat, dass er selbst nicht soviel zustande gebracht hat – und so hat hier Jenna mehr zu tun als so manch andere Mitreisende. Außerdem ist der Doktor nicht nur älter, sondern auch wieder ein wenig ruhiger. Tennant hatte eine Menge Energie in die Rolle gebracht, die dann von Smith noch gesteigert wurde. Mit Capaldi wird der Doktor wieder etwas ruhiger, aber auch düsterer… und vieles von dem, was er tut, wirkt ein wenig rücksichtslos. Er ist eben ein anderer Typ als seine beiden Vorgänger – was die Figur und seine Handlungen immer irgendwie frisch und unverbraucht erhält, eine Serie, die sich im wahrsten Sinne des Wortes mit jedem Doktor neu erfindet.
Doktor Capaldi
Aber kommen wir zur 8. Staffel. Die ist, kurz zusammengefasst, ziemlich gut. Wunderbare Dialoge, gute Handlungen, gute Schauspieler. Die meisten Geschichten sind stark, es gibt jede Menge Anspielungen auf vergangene Abenteuer, nur kindertauglich ist das ganze nicht unbedingt. Der Doktor ist älter und so ist das auch mehr eine Staffel für Erwachsene. Man erhält neue Einblicke in die Daleks (im wahrsten Sinne des Wortes), man reist im Orientexpress im Weltraum (der schon in einer Folge von Doktor Smith erwähnt wurde) und auch das Verhältnis zwischen Doktor und Gefährtin ist ein wenig anders als sonst. Clara, das muss man leider sagen, war bei ihren ersten beiden Auftritten im Dalek-Heim und dem Weihnachtsspecial mit den Schneemännern eine weit interessantere Figur als die Clara, die dann zur Mitreisenden wurde. Da passt es dann fast schon ins Bild, dass sie sich der Sache nicht ganz so verpflichtet wie ihre Vorgängerinnen, sondern pünktlich abends um 5 wieder zu Hause sein will… gewissermaßen. Das ist eine andere Dynamik aber nicht unbedingt eine bessere.
Natürlich treffen wir auch wieder eine historische Persönlichkeit. Nach Charles Dickens, William Shakespeare, Agatha Christie, Vincent van Gaugh, Richard Nixon, Nofretete und Adolf Hitler ist es in dieser Staffel Robin Hood. Obwohl es den eigentlich nicht gegeben hat. Oder? Die Folge stellt sich diesem Problem und diese Frage ebenfalls, was nicht verwundert, da sie aus der Feder von Mark Gatiss stammt, dem das Thema historischer Figuren und deren Neubearbeitung nicht ganz fremd ist, denn vor seiner Version von Robin Hood trat er in Moffats Serie „Jekyll“ (als Robert Louis Stevenson) auf und schuf zusammen mit ihm die Serie „Sherlock“.
Moffat Who?
Wie bereits an anderer Stelle geschrieben bin ich a) ein großer Fan von Steven Moffats Arbeit, denke aber auch b), dass Russell T. Davies ein wenig besser darin war, den Endgegner einer Staffel vorzubereiten und subtil in die Handlung einiger Folgen einzuflechten. Moffat ist da eher weniger subtil (außer bei Danny Pinks Handlungsbogen, der schon ganz zu Beginn platziert wird, ohne dass es der Zuschauer merkt), so dass man sich ab der ersten Folge fragt, wer „Missy“ ist und wo das ganze hinführen soll. Oder die Sache mit dem neuen Gesicht des Doktors, der sich die Frage stellt, warum er ausgerechnet dieses Gesicht (das zuvor einem Römer und danach einem Briten gehört hat, der moralisch fragwürdige Dinge getan hat) gewählt hat – doch in dieser Staffel wird diese Frage nicht beantwortet.
Und hier ist der Punkt, wo sich Funken von Genialität mit manchmal nicht ganz so überzeugenden Auflösungen vermischen. Es gibt Dinge, die einfach phantastisch sind und großartig und Moffat entsprechen. Zum Beispiel, dass man beim Leben nach dem Tod von Anfang an gezeigt bekommt, was die Auflösung ist – ohne sie jedoch wahrzunehmen, bis man uns dann darauf hinweist. Das ist großartig. Ebenso die Anfangssequenz der letzten Folge, in der Clara etwas behauptet – und man sogar den Vorspann geändert hat, um das zu untermauern (Reihenfolge der Namen, die Augen… achten Sie darauf). Das sind Dinge, die wirklich genial sind – doch leider laufen sie teilweise ein wenig ins Leere. Und das ist irgendwie schade. Dann kommt das Ende der letzten Folge und man denkt sich… genau das, was uns dann vom Bildschirm entgegentönt. Ich sag’s ja, Spuren von Genialität!
Ähnliches gilt für das Weihnachtsspecial, das die Geschichten dieser Box abschließt: Es schwankt zwischen eher uninteressant und absolut phantastisch. Irgendwie merkt man ihm zu sehr seine Anleihen bei „Alien“, „Star Trek: Treffen der Generationen“ und „Inception“ an, auch wenn es am Ende eine Erklärung für manches davon gibt, also einfach mal bei der „Weihnachts-to-do-Liste“ das Bild einfrieren. Mit Weihnachten endet für gewöhnlich das Jahr eines Doktors, aber was das nächste für uns bereit hält… das steht in den Sternen.
Innen größer als außen: das Bonusmaterial!
Davon gibt es jede Menge – und sogar mehr als in der britischen Box. Während das Weihnachtsspecial in England traditionell eigentlich erst in der DVD-Box der nächsten Staffel auftaucht (nachdem es vorher als Einzel-DVD verkauft wurde), bekommt der deutsche Käufer mehr für sein Geld, denn Weihnachten kommt bereits dieses Jahr und ist in dieser Box enthalten. Aber nicht nur das, auch andere Specials, die sich in Großbritannien in anderen Veröffentlichungen finden, nicht aber in der Staffel-8-Box, gibt es für den deutschen Zuschauer. Größtes Schmankerl dabei ist der Film „The Five(ish) Doctors Reboot“ von und mit Peter Davison und jeder Menge Doktoren, Mitreisenden und anderen wichtigen Personen, die an „Doctor Who“ arbeiten und gearbeitet haben – ein riesiger Spaß und ein echter Höhepunkt des Zusatzmaterials.
Dazu gibt es natürlich noch en masse Making ofs, Interviews, Q&As und Audiokommentare sowie ein (weiteres) Wiedersehen mit den anderen Doktoren, wenn Ex-Doktor Peter Davison herauszufinden versucht, was den perfekten Doktor oder Mitreisenden ausmacht – also quasi ein Who is Who von Who.
F.A.Z.I.T.
Ein neuer Doktor ist natürlich immer ein Risiko, weil man seinen Lieblingsdoktor hat und der neue da u.u. nicht mit ihm mithalten kann. Mit Peter Capaldi wird der Doktor anders – so wie er mit jedem seiner Vorgänger anders geworden ist. Ob man den neuen Doktor mag, muss jeder für sich selbst entscheiden – die Geschichten sind jedenfalls gut und das Zusatzmaterial so umfangreich, dass man eigentlich eine Zeitmaschine bräuchte, um alles rechtzeitig für diese Besprechung durchzuarbeiten. Verglichen mit der britischen Box dürfte die deutsche nicht nur günstiger sein, sondern sie enthält auch weit mehr Material, wie z.B. das Weihnachtsspecial und das herrlich witzige „The Five(ish) Doctors Reboot“. Ab 13. März 2015 auf DVD und Blu-ray.