Zwei Killer auf der Suche nach einem Comicmanuskript, eine Gruppe Comic– und Verschwörungsfreunde, die damit in Verbindung stehen und eine ominöse Frau, die damit definitiv in Verbindung steht. Was steckt in dem Manuskript? Was birgt es in sich? Was hat es mit der russischen Grippe auf sich? Und wo ist Jessica Hide??? Ein hoher Beamter geht der Sache nach – und irgendwann kreuzen sich alle Wege…
Spannend. Hart. Brutal. Genial.
Um es einmal in Schlagworten auszudrücken. „Utopia“ ist eine der besten, originellsten, aber auch abgedrehtesten und härtesten Serien der letzten Jahre. Sie ist blutig und man geht nicht nur über Leichen, man tanzt schon fast auf ihnen herum. Selbst vorm Kindermord wird nicht zurückgeschreckt – und das im doppelten Wortsinn. Es beginnt mit einem Mord und zwei schrägen Killern und danach hört es nicht auf, spannend, interessant, schräg, aber auch irgendwie tragisch und gemein zu sein. Während manche Serien oder Filme mehr Stil als Substanz haben, bietet „Utopia“ eine wunderbare Mischung von allen Elementen, die hier zu einem ausgesprochen befriedigenden Ergebnis zusammenkommen.
Es gibt eine gute Handlung, gute Figuren, die von guten Schauspielern gespielt werden, aber das, was besonders ins Auge und ins Ohr fällt, sind Bild und Ton. Gerade die ersten Einstellungen der Episoden sind fast wie gemalt, wunderbare bewegte Gemälde, die Farben und Form nutzen und voll und ganz im Breitwandformat aufgehen. In anderen Werken wäre dies das einzige, was sie zu bieten hätten, aber hier kommen, wie gesagt, noch andere Elemente hinzu. Unterlegt sind diese Bilder dann auch noch mit einer Musik, die genauso abgedreht und schräg ist, wie der Inhalt der Geschichte. Das sind kleine, fiese Kunstwerke, die man hier geboten bekommt – und so was im Fernsehen!
Genauso wunderbar wie böse!
Was uns zu den Figuren führt. Und da wird man schon in der Eröffnung mit zwei Killern verwöhnt, wie man sie so auch noch nicht gesehen hat. Der eine dicklich und schnaufend, der andere dünn und im Anzug – eine weitere wunderbare Einheit von Bild und Tod. Ton, Bild und Ton! Nur unterschätzen sollte man die beiden nicht, denn ihre Methoden sind mit unschön noch sehr euphorisch umschrieben. Sie sind Teil der einen Seite der Medaille, dann gibt es da noch die mysteriöse Frau, die alle suchen und die auch sehr eigenwillig ist – und, nicht zu vergessen, Mr. Rabbit. Der ist so eine Art Keyser Söze des „Utopia“-Universums. Neben der Suche nach dem Manuskript, der Frage, worum es dabei eigentlich geht – wie sich herausstellt ein Thema, dem sich auch Fitz „Noah“ und Browns „Inferno“ angenommen haben, wenn auch etwas weniger
knallböse und knallbunt
– gilt es dann auch noch, den geheimen Kaninchenmann aufzuspüren, denn er steckt hinter all dem. Doch ob das gelingen kann…?
Staffel 2
Es beginnt mit einem Rückblick und dann wird relativ nahtlos an die erste Staffel angeschlossen: Wir erfahren, wie es mit den Figuren weitergeht – und Mord bleibt immer eine Option…
Rückblick
Die erste Folge erklärt in gewisser Weise die vorangegangene Staffel in Form eines Rückblicks, in dem wir erfahren, wer was wann gemacht hat und warum manche Personen so sind, wie sie sind. Mit dieser Vorgeschichte wird eigentlich alles erklärt, aber auch die Grundlage für den Handlungsbogen dieser Staffel gelegt, denn natürlich ist auch im Land von Virus und Grippe nicht alles eitel Sonnenschein.
Leider ist Staffel 2 nicht ganz so gut wie die erste – was bei deren Brillanz aber auch schwierig ist. Die Erklärung am Anfang ist schön und es gibt auch die eine oder andere Wendung und Brutalität, aber der Reiz des Neuen und Anderen ist ein wenig verflogen. Das macht aber nichts, da man ja hiermit beide Staffeln beieinander hat und somit die Geschichte von „Utopia“ komplett vom Anfang bis zum Ende sehen kann. Ob es noch eine weitere Staffel geben wird… inhaltliche Möglichkeiten wären da, aber in der heutigen Fernsehlandschaft weiß man ja nie. Betrachten wir die Serie also als abgeschlossen – und genießen sie so, wie sie ist.
Ausgespielt
Während die Hauptbesetzung eher dem britischen Publikum bekannt sein dürfte (obwohl wir eine Darstellerin aus der Paul Potts Filmbiographie „One Chance“, einen verfickt fluchenden Schotten aus „The Thick of it“ und einen der Selbstmordattentäter aus Christopher Morris „Four Lions“ dabei haben), trifft man in den Nebenrollen auf bekannte Gesichter. Da ist zum Beispiel Stephen Rea, der nach seinem Auftauchen in der „Zeit der Wölfe“, „Crying Game“ und „Interview mit einem Vampir“ irgendwie bis „V for Vendetta“ von der Leinwandfläche verschwunden zu sein schien, obwohl es so wirkte, als würde eine große Karriere ins Haus stehen. James Fox, Bruder von Edward Fox, ist auch mit dabei. Er war, wie der erwähnte Bruder, an der Seite von Sean Connery zu sehen, in „Das Russland-Haus“, und an der Seite von Harrison Ford in „Die Stunde der Patrioten“. Neben Hugh Grant spielte er in „Mickey Blue Eyes“, aber dass er „Charlie und die Schokoladenfabrik“ besuchte, wollen wir dann doch lieber verdrängen.
Auch Tim Innerny, eigentlich am besten bekannt als Percy und Cpt. Darling aus „Black Adder“ gibt sich in einem kurzen Gastspiel die Ehre. Die wunderbare Rose Leslie aus „Downton Abbey“, „Game of Thrones“ und jüngst der vierten Staffel von „Luther“ ist ebenfalls mit dabei… und sogar der Imperator selbst tritt auf den Plan, auch wenn man eine ganze Weile braucht, bis man Ian McDiarmid überhaupt erkennt.
Bonus
Making ofs und ein Audiokommentar zur ersten Folge, mit Serienschöpfer Dennis Kelly, Regisseur Marc Munden und Produzentin Rebekah Wray-Rogers, die einen schönen Einblick in Entstehung und Hintergedanken der Serie geben.
Faztopia
Anderser (ist ab jetzt ein Wort) kann man eigentlich gar nicht sein. Eine brillante Mischung aus Wort, Bild und Musik, hart und kompromisslos, gemein, brutal, genial. Die erste Staffel ist ein kleines Juwel, eine Serie, wie man sie so eigentlich nie vorher gesehen hat und in dieser Perfektion auch möglicherweise nie mehr erleben wird. Die zweite Staffel erreicht diesen Höhepunkt zwar nicht ganz, aber sie schließt die Serie doch angemessen ab. Eine Komplettbox, die man sich nicht entgehen lassen sollte – wenn man die Nerven dafür hat und den eigenwilligen Humor mag. Ab 28.10.2016 auf DVD und Blu-ray.