James Bond is back!
Als Comic aus dem Splitter-Verlag, der hier seinem Namen alle Ehre macht. Denn dieser Bond ist blutig, kein blutiger Anfänger, aber ein kaltblütiger Killer – und es fließt mehr Blut, als in allen Bond-Filmen zusammen. Denn, seien wir ehrlich, vor der Craig-Ära, die Bond seine Alleinstellungsmerkmale Eleganz und Charme genommen hat, war James Bond ein Highsociety-Agent, bei dem zwar gemordet wurde, als gäbe es kein Morgen und gevögelt, als gäbe es kein Morden, aber Blut und Nacktheit waren immer tabu. Das ist in diesem ersten Band der neuen Bond-Comicreihe anders. Es gibt zwar – noch? – keine ausgiebigen Nackt- und Sexszenen, aber appe Finger und spritzendes Blut en masse. Was, sieht man sich mal die Jobbeschreibung der Figur an, doch eigentlich Sinn ergibt. So gesehen ist dieser Comic nicht unbedingt realistischer, aber doch „ehrlicher“ als seine filmischen Kollegen. Aber…
Wer ist dieser James Bond überhaupt?
Das ist eine Frage, die sich schwerlich beantworten lässt, wird 007 doch mit jedem neuen Darsteller neu definiert. Aber nicht nur das, tatsächlich gibt es etwa vier Bond-„Universen“, um es einmal so zu formulieren, vier Varianten der gleichen Figur, die parallel zueinander existieren… wenn man eventuelle Videospiele nicht mitzählt. Da ist zum einen der bekannteste James Bond, der, den wahrscheinlich die meisten kennen, nämlich der, der alle Jahre wieder auf der großen Leinwand erscheint, also der Film-Bond.
Dann gibt es den Bond der Bücher… oder vielmehr die Bonds der Bücher, denn allein dort gab es in den letzten Jahren zwei unterschiedliche Inkarnationen. Eine davon lebt in den 60ern und knüpft an die alten Werke von Bond-Schöpfer Ian Fleming an („SOLO“). Eine weitere lebt in der Gegenwart und erlebt ihre Abenteuer heute („CARTE BLANCHE“). Beide sind gleich und beide sind unterschiedlich. Die Familiengeschichte ist ähnlich, aber den jeweiligen Zeiten angepasst. Zudem ist das, wofür der aktuelle Bond arbeitet, nicht direkt der MI6 sondern irgendeine Art Spezialabteilung. Zuzudem, was vielleicht nicht jeder weiß, gibt es in den Büchern keine direkte Figur namens Q, auch wenn es dereinst einen Major Boothroyd gab, ein Name der in den Filmen in „Dr. No“ fällt sowie später in, wenn ich nicht irre, „Der Spion, der mich liebte“. In den Büchern gibt es eher die „Q Abteilung“, während deren „Quartiermeister“ wohl eher eine austauschbare Figur ist, die von dem übernommen wird, der gerade Zeit hat. Der Begriff des Quartiermeisters ist dann irgendwie keine Doppelnullung sondern eine Doppelmopplung, die in den Filmen erstmals in „Stirb an einem anderen Tag“ aufgetaucht sein dürfte; so steht dann das Q wahlweise für eben diesen Meister oder aber für seine Q-Abteilung – im Zusammenhang dieser Filme aber eigentlich nie für ein übermächtiges, gottgleiches Wesen, das gerne mit der Enterprise-Crew spielt. Womit wir dann nach einer langen Vorrede bei der vierten Inkarnation von James Bond angekommen sind, denn das ist
Der Bond der Comics
Ich würde sagen, wir dürfen diesen Bond als eine weitere, halbwegs eigenständige Figur betrachten, losgelöst von allen drei anderen genannten Inkarnationen – aber mit Bezug zu ihnen. So wird zum Beispiel Peter Franks erwähnt, der Name eines Schmugglers, den Bond in „Diamantenfieber“ in einem Aufzug in Amsterdam umbringt, um seine Identität anzunehmen. Es gibt auch M, Q und Moneypenny (und Bill Tanner, aber nach dem hat eigentlich noch nie ein Hahn gekräht), aber die scheinen zumindest nicht 1:1 aus dem Filmuniversum übernommen zu sein. Zwar ist Moneypenny wie in den neueren Filmen eine Schwarze und ihr Waffenreinigen lässt ebenfalls auf einen vorherigen Außendienst schließen (als Staubsaugerverkäuferin, denn wir wissen ja um ihre Schießkünste), aber da haben wir es auch schon mit den Ähnlichkeiten. Q ist kein Jüngelchen mit Laptop, sondern ein älterer Herr, also keinerlei Verbindung zum aktuellen Filmuniversum. Und da ist M. Der wirkt ebenfalls so, als wäre er schwarz, also wohl nicht die Figur, die Ralph Fiennes dargestellt hat. Zudem ist sein Verhältnis zu Bond ein wenig gestört, was eher eine Parallele zu Judy Dench – und, was gerne vergessen wird, vor ihr Edward Fox – ist. War Bernard Lee noch der M, der Bond einfach mal auf eine tödliche Mission geschickt hat (traurige Ironie, dass er im Film dieses Namens erstmals nicht dabei war), waren es die erwähnten beiden, die in ihm eher ein Relikt aus dem kalten Krieg gesehen haben und mit seinen Methoden nicht ganz einverstanden waren. Das ist die Haltung, die auch dieser M ein wenig zu vertreten scheint – wobei sein Kommentar, Bond wäre immer schnell bei der Sache, wenn es um eine Racheaktion geht, fast wie eine Anspielung auf die aktuellen Filme wirkt. Dennoch würde ich behaupten, die Comics stehen mehr oder weniger für sich, auch wenn es wohl immer Anspielungen auf die Filme geben wird, wie z.B. die Sache mit seiner Dienstwaffe hier, die sehr an Ms Zurechtweisung in „Dr. No“ in Bezug auf seine Waffe, die „gut für eine Damenhandtasche“ wäre, erinnert.
Und… Action!
Der Comic beginnt mit einer Art Vorspiel, ähnlich wie die Filme, eine Pre-Titel-Sequenz, die fast wortlos abläuft, bevor dann der Titel kommt… der leider nicht gesungen ist. Da ist es eigentlich schade, dass man nicht auch noch eine gezeichnete Gunbarrel-Sequenz vor das Ganze gesetzt hat, aber die bleibt dann wohl nur den Filmen vorbehalten. Es beginnt also damit, dass Bond etwas erledigt, oder eher jemanden, was dann dazu führt, dass er einen neuen Auftrag bekommt, der ihn nach Berlin führt, wo er sich von einer Spur zur anderen hangelt und auf extrem blutigen Pfaden wandelt (oder in Blut watet, wenn Ihnen das besser gefällt). Sex gibt es keinen, aber dafür darf 007 etwas tun, was bei Craig irgendwie ausbleibt: seinen Kopf benutzen. Und ich meine damit nicht, mit ihm durch die Wand gehen, wörtlich gesprochen. Bond muss seinen Verstand einsetzen, um aus schwierigen Situationen herauszukommen – und es ist schön, das zu sehen. Außerdem hat er endlich wieder einen trockenen Humor, was der Filmreihe schon seit langem abgeht. Es ist zwar nicht ganz der gute alte James, wie man ihn sich wünscht – aber er ist schon weit näher dran!
Ellis wird gut
Geschrieben wurde dieser Band von Comic-Altmeister Warren Ellis. Das freut mich besonders, da er für eine meiner Lieblingscomicserien verantwortlich ist: „Transmetropolitan“. Abgedreht, schräg, witzig, clever und ziemlich kompromisslos. Eine völlig andere Richtung als Bond, aber ein wahres Vergnügen. Da fragt man sich natürlich, ob das Tattoo des Bösewichts im Teaser nicht eine Anspielung auf seinen Spider Jerusalem ist…
Mein Fazit ist Bond, James Bond
Für jemanden, der die alten Bond-Filme mag, ist das Warten auf einen neuen Film problematisch geworden. Brachte man vor der Jahrtausendwende noch etwa alle zwei Jahre einen Bond-Film heraus, so sind die Abstände inzwischen größer geworden – und die Filme selbst lassen dann auch noch das vermissen, was man eigentlich an Bond mochte. Die Comics schaffen da jetzt eine gewisse Abhilfe. Man kann sich die Zeit bis zum nächsten Film ein wenig mit einem neuen Abenteuer abkürzen – und außerdem fühlen sie sich, abgesehen von zuviel Blut und zu wenig Sex, ein bisschen mehr wie der Bond an, den man eigentlich sehen möchte. In Zeiten von Craig (die jetzt hoffentlich endlich zuende sind), also durchaus eine nette Alternative, ein bisschen mehr Zeit mit dem Geheimagenten Ihrer Majestät zu verbringen. Und das meine ich absolut ernst, denn: „Ich scherze nie, wenn es sich um meine Arbeit handelt, 007!“ Seit Juni 2016 erhältlich beim Comichändler Ihrer Wahl.