Man sagt, seinen ersten Doktor vergisst man nie. Für viele ist das Matt Smith. Einige schwören auf Tom Baker. Dann gibt es die, die David Tennant lieben. Aber kann man sich noch an Christopher Eccleston erinnern, der die Serie wieder belebte? Oder an Paul McGann, mit dem sie starb? Und wer war eigentlich der Doktor vor McGann? Nun, das war: Sylvester McCoy! Und den kann man jetzt näher kennenlernen.
Doktor wer?
In England ist der Doktor ein Nationalheiligtum, so wie James Bond oder William Shakespeare. Seine Geschichte begann, ähnlich wie die von Bond, in den 60ern – und ähnlich wie der Spion hat der Doktor bereits einige Darsteller verschlissen. Doch anders als beim Geheimagenten Ihrer Majestät hat man hier einen vernünftigen Weg gefunden, seine Darsteller auszutauschen und sogar zu verjüngen – womit das so ziemlich die einzige Serie sein dürfte, der das auf diese Weise geglückt ist. Es begann 1963 in schwarz/weiß mit einem weißhaarigen Mann, es gab zwei ausgekoppelte Spielfilme (1965/66), in denen Peter Cushing den Doktor spielte, 1989 kam es zu einem vorzeitigen Ende, 1996 gab es den Versuch, den Doktor amerikanischer zu machen – und dann gab es erstmal eine Pause bis 2005. Doktor Who ist und bleibt eben durch und durch britisch – auch wenn er vom Planeten Gallifrey stammt. Doch das hindert ihn nicht daran, die Menschen im Allgemeinen und die Briten im Besonderen immer wieder zu retten – seit nunmehr 50 Jahren. Mit einer kleinen Lücke. Der Doktor war tot geglaubt, schien nun doch alle seine Leben verbraucht zu haben.
Aber dann tauchte ein neuer Mann auf: Russel T. Davies. Er hauchte der Serie neues Leben ein und als neuer Doktor wurde ein bekannter Schauspieler engagiert: Christopher Eccleston. Allerdings wollte der sich nicht so sehr an eine Serie binden, um auch andere Chancen wahrzunehmen, eine Entscheidung, die bestätigt wird durch Filme wie „G.I. Joe“ (mit Maske) und „Thor – The Dark Kingdom“ (mit noch mehr Maske und absolut unkenntlich), also… gute Entscheidung, Ecci! Auf ihn, der ein paar großartige Abenteuer hatte, „fantastic“, um ihn zu zitieren, folgte David Tennant, der etwas mehr Bewegung in die ganze Sache brachte. Der Doktor wurde jünger und schneller und hibbeliger – ein Trend, der sich mit Matt Smith fortsetzte. Doch gemeinsam mit Tennant verließ auch Davies das gut schwimmende Boot und übergab das Ruder an Steven Moffat.
Steven Who?
Moffat zählt für mich zu den besten, cleversten und witzigsten Autoren des aktuellen britischen Fernsehens. Er schrieb die Serien „Coupling“ und „Jekyll“, schuf gemeinsam mit Mark Gatiss („The League of Gentlemen“) die Wiedergeburt von „Sherlock“ und zeichnet verantwortlich für ein paar der besten Episoden in der Davies-Ära. Das Kind mit der Gasmaske („The Empty Child“/“The Doctor Dances“), die Roboter mit dem Uhrwerk („The Girl in the Fireplace“), die Bibliothek mit den Schatten („Silence in the Library“/“Forest of the Dead“) – und der Höhepunkt: „Blink“ mit den weinenden Engeln. „Blink“ zählt für mich zu einer der besten Episoden der Serie – die reine Perfektion. Er war es auch, der River Song (Alex Kingston) einführte, eine Figur, die jeder Episode mit Matt Smith etwas Schillerndes und einen besonderen Spaßfaktor verleiht.
Obwohl ich großer Fan von Moffat und seiner Arbeit bin, schmerzt es mich, zugeben zu müssen, dass mir seine Arbeit unter Davies besser gefiel als seine Arbeit als Gesamtverantwortlicher. Davies hatte es perfekt geschafft, den „Endgegner“ schon früh einzuführen, ohne ihn direkt einzuführen, aber doch unterschwellig immer präsent zu haben. „Bad Wolf“ oder „du hast etwas auf dem Rücken“ sind nur zwei Beispiele dafür. Moffat ist da leider etwas weniger subtil – und leider scheinen seine Finale auch nie so schön aufzugehen, wie es bei Davies der Fall war. Irgendwie hat man ein bisschen das Gefühl, er hätte nicht alle Register gezogen, nicht alles angemessen zuende geführt. Nichtsdestotrotz hört man (ich) seinen Stil fast immer heraus, bestes Beispiel dafür ist die Episode „When a good man goes to War“… „Would you like me to repeat the question?“ Perfektion!
Aber reisen wir ein wenig zurück in der Zeit – denn darum geht es ja bei einem zeitreisenden Doktor. Begeben wir uns dahin, wo schon 6 Doktoren (plus Peter Cushing) zuvor gewesen sind: zum siebten Doktor.
Doctor Who in Deutschland
Tatsächlich waren meine ersten Erfahrungen mit dem Doktor nicht die Wiedergeburt mit Eccleston, sondern das deutsche Fernsehen der 80er oder 90er Jahre. Auf RTL Plus, wenn ich nicht irre, lief das, was wir jetzt endlich auch hierzulande auf DVD erleben können: Sylvester McCoy als „Doktor Who“. Und das war… ich weiß nicht mehr genau, wie das war, ich glaube, ich fand’s ganz nett, aber so sehr begeistert, dass es für mich „Raumschiff Enterprise“ oder „Krieg der Sterne“ (ja, so hieß das damals noch) verdrängt hätte, war es dann doch nicht. Also finden wir heraus, wie sich das heute so ausnimmt, wie der siebte Doktor wirkt, welchen Eindruck er macht – und wie er sich gegen seine Nachfolger so schlägt. Die Box, deren interessantes Heft sie uns auch als „Doktor Who – Staffel 24“ ausgibt, enthält folgende Geschichten, die damals 3- oder 4-Teiler mit einer Laufzeit von je 25 Minuten pro Folge waren:
- Terror auf Lakertia / Time and the Rani (Teil 1-4)
- Der Fluch des Kroagnon / Paradise Towers (Teil 1-4)
- Delta und die Bannermänner /Delta and the Bannermen (Teil 1-3)
- Das Feuer des Drachen / Dragonfire (Teil 1-3)
Während man in Großbritannien diese Geschichten nur einzeln bekommt, erhält man in Deutschland gleich eine Komplettbox mit dem ersten Jahr des siebten Doktors – was letztendlich wahrscheinlich günstiger kommt, als alles einzeln kaufen zu müssen.
Der siebte Doktor
Wenn man sich das ganze so ansieht, wirkt es natürlich alles ein wenig krude… und doch erkennt man Parallelen, die Wurzeln, auf denen der heutige Doktor aufbaut, ohne die er gar nicht möglich wäre. So ist dies im wahrsten Sinne des Wortes eine Reise in die Vergangenheit, sowohl der Serie als auch des Doktors selbst. Der beginnt hier, so wie auch Tennant, Smith und Capaldi begonnen haben: mit einer Regeneration. Was zur Folge hat, dass sich der neue Doktor erst einmal selbst eingewöhnen muss. Sylvester McCoy klingt dabei im Original ein wenig wie Rowan Atkinson auf Speed. Ein wenig. Aber er erinnert auch noch an eine andere Person: Matt Smith als Doktor! Sie scheinen sich ein wenig ähnlich zu sein, obwohl McCoy natürlich in billigeren Kulissen herumlaufen muss und die TARDIS sieht innen neu und sauber aus. Aber so war die Science Fiction im Fernsehen früher: Alles war sauberer – und auch die Kulissen und Monster bei „Raumschiff Enterprise“ waren weit von dem entfernt, wie sie sich heute präsentieren. „Doktor Who“ war schon immer ein Kind seiner Zeit und wird das auch wohl immer bleiben.
Die Geschichten
Wie bei jeder Serie: Mal besser, mal weniger. Jede Menge Steinbrüche, denn die sind der Lieblingsdrehort für „Doctor Who“. Zu Beginn erleben wir die Regenration und die Erweckung eines neuen Doktors, der es dann mit einer Artgenossin zu tun bekommt, einem weiblichen Timelord… der in der neuen Ära bislang nicht aufgetaucht ist. Dann geht es in ein Hochhaus, das mehrere Geheimnisse hat – etwas, das einem aus späteren Staffeln bekannt vorkommt: Abgeschlossener Ort, unheimliche Dinge, die passieren und ein großes Geheimnis, das gelüftet wird. So bleibt sich der Doktor über die Jahrzehnte treu. Anschließend muss eine Prinzessin vor einer Horde Mörder gerettet werden. Zum Abschluss geht es an einen kühlen Ort, wo wieder ein Geheimnis darauf wartet, entschlüsselt zu werden – und es drängen sich ein paar Anleihen bei „Alien“ auf (das wär doch mal ein Crossover: „Doctor Who vs. Aliens“). Darüber hinaus wird diese Staffel eine Figur eingeführt, von der man noch mehr zu sehen bekommen wird…
Die Geschichten sind anders und doch ähnlich. Schön ist, dass man erkennen kann, dass der Geist des Doktors über die Jahre erhalten geblieben ist – ebenso wie das „bigger on the inside“ und seine liebste Aufforderung: „RUN!!!“
Das Bonusmaterial
Mehr als 5 Stunden Bonusmaterial – da bekommt man eine Menge Hintergrundinformationen zum Doktor im Allgemeinen und zu Nummer Sieben im Speziellen. Jede Folge hat einen Audiokommentar, in denen u.a. Sylvester McCoy, seine Schauspielerkollegen, Autoren und Produzenten zu Wort kommen. Das ist sowohl informativ als auch unterhaltsam und gibt Einblick in die Entstehung der Folgen, aber auch der Serie selbst. Sehr schön ist das erste Making Of, das wirkt, als wäre aus es „Per Anhalter durch die Galaxis“, lustig gemacht und mit interessanten Informationen.
Bei „Paradise Towers“ erfährt man, dass einige Dinge in der Konzeption und im Buch anders gedacht und wie sie eigentlich gemeint waren, was für das Verständnis der Folge durchaus hilfreich ist. Hier ist das Infomaterial mit Making Of und Audiokommentaren sehr umfangreich, aber auch ein wenig redundant. Darüber hinaus gibt es für die Episoden eine Audiofassung mit einer alternativen Musik.
Wer also in die Welt des Doktors eintauchen und Dinge erfahren möchte, die er von seinen neuen Doktoren vielleicht noch nicht kannte, der sollte hier auf eine wahre Fundgrube (in der die meisten Folgen gedreht werden) stoßen.
Die Zukunft der Vergangenheit
Dies ist ein schöner Einstieg in die Zeit vor der Wiederbelebung. Die Frage ist – und die wird vom finanziellen Erfolg dieser Boxen abhängen – wohin uns die Wege des Doktors führen werden. Oder vielmehr: bis wann? Eine zweite Box ist bereits angekündigt, die Abenteuer des siebten Doktors werden also vorerst weitergehen. Doch was folgt dann? Tatsächlich scheinen auch für die Staffeln 22 und 23 mit Colin Baker deutsche Synchronfassungen zu existieren, ebenso wie für das Special „Die fünf Doktoren“ und den Spielfilm mit Paul McGann. Aber sollte der Doktor nun auch in Deutschland erfolgreich sein (wir erinnern uns, dass das nicht immer der Fall war, verschob Pro7 den Neustart mit Eccleston doch erst ins Nachmittagsprogramm und dann dauerte es Jahre, bis durch das digitale Fernsehen mit Matt Smith endlich der Erfolg kam, was dann auch endlich zur deutschen Bearbeitung der dazwischenliegenden Staffeln mit Tennant – Staffel 3, 4 und die Specials – führte), wie weit wird man dann zurückgehen? Wird man nun auch die Staffeln mit William Hartnell, Patrick Traughton, Jon Pertwee, Tom Baker und Peter Davison herausbringen? Wird man die alle synchronisieren? Und wie gut wird diese Synchronisation werden? Nun, all das wird die Zukunft erweisen… und die ist bei einem Zeitreisenden ja nicht immer ganz sicher.
Fazit Who
Anders aber ähnlich. Wie bei „Star Trek“ ein interessanter Vergleich damit, wie die Serie einmal war – und was man inzwischen daraus gemacht hat. Für Hardcore-Fans unerlässlich und wahrscheinlich günstiger als die britischen Ausgaben, für Menschen, die auf die deutsche Fassung angewiesen sind schlicht alternativlos, da dies die erste (und möglicherweise einzige) Veröffentlichung mit deutschem Ton sein dürfte. Ab 28.11.2014 auf DVD.