
Viele Jahre nach dem letzten Abenteuer, bei dem Captain Picard und seine Crew gegen Picards eigenen Klon Shinzon gekämpft haben, spielen auch wieder die Romulaner eine große Rolle im Leben des Kapitäns a.D. …
Von Trek-Kennern mit dem Blick fürs Detail gemacht…
…ist „Star Trek: Picard“ leider nicht. Was vielleicht ein wenig damit zu tun hat, dass sich keine einzige Figur so verhält, wie man es von ihr kennt, der Titelcharakter eingeschlossen. Die Kollegen vom für „Star Trek“-Freunde sehr zu empfehlenden (englischsprachigen) Podcast „Inglorious Treksperts“, von denen einer, Daren Dochterman, hier im Zusatzmaterial zu sehen ist, sagen immer wieder gerne, und zu recht, dass William Shatner seinen Kirk von Anfang an perfekt verkörpert hat. Leonard Nimoy brauchte ein wenig, um seinen Spock zu finden, aber Shatner war von seinem ersten Auftritt an Kirk – und blieb es, mit einem Ausrutschter in „Star Trek: Der Film“, wo sich Kirk erst selbst wieder finden musste, bis zu seinem Ende in „Star Trek: Generations“. Ein bisschen (komplett) anders verhält es sich da bei Captain Picard. Was weniger am Spiel Patrick Stewarts liegt, sondern quasi an allem. Picard ist zu Beginn bei TNG ein ruhiger Diplomant, der Probleme mit Kindern hat und eine gewisse Distanz zu seinen Untergebenen hält. Sobald es die nächste Generation aber auf die Leinwand schafft, tritt ein völlig anderer Picard zutage. In der Serie hätte er alles mit den Borg ausdiskutiert, hier aber empfiehlt er, borgifizierte Besatzungsmitglieder direkt kalt zu machen. Aus dem Redner wird ein soziopathischer Actionman, der mit Gewehren auf Gegner ballert und mit dem Strandbuggy durch die Dünen brettert. Insofern… warum sollten wir jetzt eigentlich überrascht sein, dass der Picard von „Picard“ eigentlich mehr wie Stewarts Rolle Professor Xavier aus den X-Men-Filmen wirkt als wie der kühle Kommandant der Enterprise? Und überhaupt, wie glaubwürdig ist eigentlich jemand, der seinen eigenen Namen falsch ausspricht?
Das D ist stumm
Nicht das der Enterprise D, aber das am Ende von Picard. Zumindest im Französischen. Wo er ja eigentlich her kommt, der gute Mann. Doch sieht man ihn im klingonischen Original, äh, nein, das ist ein Zitat aus „Das unentdeckte Land“, sieht man ihn im englischen O-Ton, dann hört man von jedem, der diesen Namen ausspricht, das PicarD D gut heraus. Und da gibt es immernoch genug Heulsusen, die darauf rumhacken, ach wie schlecht doch die deutsche Fassung von „Star Trek“ ist, aber mit keinem Wort erwähnen, dass die einen elementaren Fehler des Originals korrigiert. Wie dem auch sei, wenn man sich viele, viele Jahre zu intensiv mit „Star Trek“ befasst hat, dann fällt es einem irgendwann schwer, einfach mal zu akzeptieren, dass das
nur eine Fernsehserie
ist (ja, „Galaxy Quest“, da habt ihr völlig recht). Sowas kann man konsequent und mit korrekter Kontinuität machen… ist aber nicht immer der Fall. Und auch wenn man das Trek bis hierher betrachtet und genau unter die Lupe nimmt, dann finden sich da durchaus Unstimmigkeiten (gab es in den 90ern wirklich einen Eugenischen Krieg und ist ein gewisser Khan Noonien Soong da mit einem Raumschiff entfleucht???), also muss man sich ab einem gewissen Punkt zwingen, zu sagen: Was solls? Ja, Picard hat sich verändert. Tun manche Menschen. Sagen wir einfach, sein Zangsaufenthalt bei den Borg seinerzeit hat nicht unbedingt zu einem Stockholmsyndrom geführt. Was die Sternenflotte angeht… okay, die besteht dann jetzt komplett aus Arschlöchern. Die gab es früher vereinzelt, ja. Der Admiral in DS9, der einen Putsch machen wollte, um an die Macht zu kommen und die Erde vor den Formwandlern zu schützen. Doch, solche Leute gab es. Selbst Captain Sisko hat unfeine Dinge getan, um dafür zu sorgen, dass die Romulaner am Krieg gegen das Dominion teilnehmen (in der glorreichen Folge „In the Pale Moonlight“, sehr zum empfehlen!). Überhaupt, mögen einige jetzt einwänden, die Zukunft, die in DS9 gezeigt wird ist düster, entspricht die überhaupt noch der strahlenden, positiven Zeit, die uns
Gene Roddenberry
versprochen hat? Die Antwort ist… naja, hmm, sagen wir mal so: Dort wird noch darum gekämpft, das Positive an der Zukunft zu erhalten. Der Kern, der Grundgedanke ist da, aber es herrscht Krieg und man muss ihn verteidigen. Bei „Picard“ ist dieser Zug aber bereits abgefahren. Die Zukunft ist im Arsch, Roddenberrys Vision einer positiven Menschenheit das Klo runtergespült. Wie das Jahr 2020, um da mal eine Parallele aus der näheren Vergangenheit zu ziehen. Am Ende von einem der JJ-Filme, ich glaube, „Into Dumbass“, sitzen die Kadetten in grauen Uniformen vor dem Space-Reichstag, während sich vor ihnen eine Enterprise mit riesigem Hakenkreuz erhebt… okay, war vielleicht nicht ganz so, wirkt aber so, als würde das passen, wenn man es sieht – und genau dazu ist die Sternenflotte jetzt geworden, einem Haufen fremdenfeindlicher Arschlöcher. Aus „Paradise lost“ wird in gewisser Weise „Paradise gone“, denn von der Vision, dem Positiven, dem Guten, ist nicht mehr viel übrig. All das ließe sich allerdings besser schlucken, wenn die Serie darauf abzielen würde, zu dem Positiven Roddenberrys zurückzukehren, dafür zu kämpfen, es neu zu erschaffen… Doch leider bleibt das aus.
„Keine Fortsetzung von NEXT GENERATION!“
Sagt kein geringerer als Patrick Stewart im Zusatzmaterial. Dort werden auch die Parameter erwähnt, dass gewisse Dinge nicht und wenn, dann nur mit gutem Grund auftauchen sollten, z.B. Picard in Uniform. Aber gehen wir doch mal ein bisschen in medias res…
Spoiler… hätt ich vielleicht schon früher schreiben sollen?!
Es geht eigentlich ganz vielversprechend los. Der gealterte Captain wird mit einem Mysterium betraut, muss sich eine Crew zusammensuchen und eine Aufgabe lösen. Leider fängt es schon damit an, schade zu werden, dass man zwei interessante Charaktere, nämlich die beiden Romulaner, die bei ihm eingezogen sind, daheim lässt und stattdessen mit der Nerdin, der Drogenkranken und dem Han Solo Abklatsch auf große Fahrt geht. Letzterer hat dann in der deutschen Fassung auch, der Figur entsprechend, Leonhard Mahlich, der auch für den anderen Han Solo Abklatsch Chris Pratt bei den „Guardians of the Galaxy“ zu hören ist und den Synchronregisseur Björn Schalla gerne und gerne für solche Rollen besetzt, Zu den genannten Figuren gesellen sich dann noch der Samurai Romulaner und der Hipster Romulaner, was uns zu dem Problem bringt, dass hier aber auch kein einziger Romulaner wie ein solcher wirkt, aussieht oder sich so verhält. Man kann einwänden, dass das ein Volk von Geheimniskrämern ist, aber die haben in den verschiedenen Serien durchaus eine Identität und einen Stil gehabt, die man hier vergeblich sucht.
Buffys Höllenschlund
Hinzu kommt, dass offenbar die gesamte Romulanische Administration ziemlich lahmarschig ist, um es mal höflich zu sagen. Denn, wie wir hier, nach mehr als 50 Jahren STAR TREK erfahren, hat das Volk mit den spitzen Ohren eine Aversion gegen Maschinenwesen und künstliche Intelligenz… und hat dann aber doch gewartet, bis die Menschenheit einen Weg gefunden hat, eine Sklavenarmee von Androiden zu erstellen, anstatt das Ganze schon im Ansatz zu ersticken, indem man Kollege Data mal eben aus dem Universum geblasen, die restlichen Soongs aufgespürt, mit ihnen das gleiche gemacht und damit das Problem gelöst hätte. Spätestens beim letzten Film der Next Generation-Mannschaft wäre das mit Shinzon durchaus eine Option gewesen. Stattdessen aber schaut man zu, wie die Menschenheit das macht, gegen das sich Picard, Data und der hier wieder auftauchende Bruce Maddox seinerzeit bei TNG ausgesprochen haben, nämlich doch eine künstliche Lebensform zu Sklavenzwecken heranzuzüchten… nicht, dass sie das nicht schon mit nicht so doll funktionierenden Hologrammen machen würden, wie uns „Star Trek: Voyager“ gezeigt hat. Ja, die Föderation ist schon ein Haufen Arschlöcher, irgendwo stimmt das schon. All das führt nun aber dazu, dass man im Finale statt eines blauen einen roten Strahl in den Himmel schießt, auf dass sich ein Portal öffne und wie aus Buffys Höllenschlund mechanische Tentakelwesen hervorkommen… das ist… schwierig.
Sehen nicht wie Schweden aus
Dinge, die nicht wirklich eine Funktion haben, sind… überflüssig? Wir haben hier einen Borgwürfel, wir haben Seven of Nine, wir haben einen Borg, der Picard Locutus nennt. Ja, Leute, das sind die Dinge, die beim Brainstorming zum Thema Borg rauskommen, euer Job wäre es gewesen, dann auch was draus zu machen. Aber das entfällt leider. Hätte man herausgearbeitet, dass die Romulaner den Würfel untersuchen, um künstlichem Leben auf die Spur zu kommen, dann hätte es da einen Grund gegeben. Ach, wäre es nicht toll gewesen, wenn sich daraus ein Konflikt ergeben hätte, in dem die Borg selbst eine Rolle gespielt hätten, z.B., ob sie sich den Spitzohren anschließen oder für die Mechatentakel aus einer anderen Dimension sind?! Ein paar Borg hätten in Picard ihr altes Sprachrohr wiedererkennen und er hätte das ausnutzen können. Doch nichts dergleichen, das Ding ist da, wird aber außer als Bus nicht wirklich verwendet, was heißt, dass man es auch anders hätte lösen können, wodurch das Ganze eigentlich eher wertlos ist.
Korrektur der Dummheit
Die Serie geht übrigens auf Ereignisse aus dem ersten JJ Abrams-Film „Star Trek“ (ja, kein Untertitel oder sowas) ein, korrigiert aber ein wenig den Schwachsinn, der dort ausgesprochen wurde. Spock faselt da nämlich etwas von „einer Sonne, die zur Supernova wird und die Galaxie bedroht“. Jjjjja, irgendjemand wird inzwischen nachgeschlagen haben, dass das Blödsinn ist und nun spricht man von „der romulanischen Sonne“, was weit mehr Sinn ergibt.
Moderner und gleichzeitig nicht zeitlos
Man kann darüber streiten, wie zeitlos STAR TREK bis zu diesem Zeitpunkt war. Die Kleidung, oder das Ausbleiben davon, in den 60ern war schon ein wenig speziell… aber es war keine Mode von der Stange. Alles war ein wenig gekünstelt, künstlich, was man auch von der Sprache sagen kann. Hier nun aber versuchen die Macher total hip zu sein, was in Sachen Zeitlosigkeit komplett nach hinten losgeht. Man hat bei Trek noch nie so viele Reißverschlüsse und Knöpfe gesehen und Picards Tropenanzug in der romulanischen Kolonie sieht aus wie von C&A, inklusive Hut. Auch Rafis E-Zigarette, Rios dicke Zigarre und Tatoos, all das zeigt nicht, in welcher Zeit die Serie spielt, sondern nur, in welcher sie entstanden ist. Das mehrfache „fuck“ wird dem deutschen Zuschauer vorenthalten, aber wenn eine romulanische Agentin den Begrif „freakig“ gebraucht, löst sich die Zeitlosigkeit in Luft auf. Hinzu kommt das Innere der Raumschiffe, das eher den Designs von „Star Trek: Discovery“ entspricht – und auch da fehl am Platze ist. Ein Schiff mit einem riesigen, ungefüllten Innenraum ist nicht nur Verschwendung, es kann sich auch im Falle eines Hüllenbruchs als ungemein nachteilig erweisen, wenn dann gleich mal das gesamte Innere dekomprimiert. Nett ist zwar, dass Rafi ihren Trailerpark Wohnwagen dort hat, wo man die Classic-Episode „Arena“ gedreht hat (die mit dem Gorn), und der Fan weiß das auch, aber dann kann man das doch trotzdem mit einem klitzekleinen Satz ansprechen,
Uninspirierte Effekte
Der Endkampf scheint dann von den gleichen Dumpfbacken zu stammen, die schon bei „Star Wars: Der Ausstieg Skywalkers“ dachten, dass es unheimlich geil und cool ist, wenn man das selbe Schiff einfach 5000 mal kopiert und damit den Bildschirm vollkleistert. Passiert hier auch, sowohl mit der romulanischen als auch der Sternenflotten Flotte, was bestenfalls langweilig, schlicht aber auch einfallslos aussieht.
Bonus
Jede Menge Featuretten, für jede Episode eine, sowie ein Audiokommentar, in denen man einiges über die Produktion erfährt, aber auch darüber, für was für große Fans von „Star Trek“ sich einige der Beteiligten halten.
Where No Fazit Has Gone Before…
Ein völlig anderer Picard als man ihn kennt, eine völlig andere Sternenflotte, Föderation, Galaxie. Für Freunde des klassischen „Star Trek“, also allem, was vor JJ Abrams Filmen geschaffen wurde, können die Versionen von „New Trek“ ein bisschen schwierig sein, weil sie einen Titel tragen, dessen Inhalt und Gedankengut, dessen Einstellungen und Vorstellungen sie nicht widerspiegeln. Bei „Star Trek: Picard“ stimmt so gesehen keins der Worte, da es weder das eine noch das andere ist. Aber es gibt, so hört man immer wieder, Menschen, die trotzdem daran ihre Freude haben. Also wenn man nicht seit Jahrzehnten mit Trek indoktriniert wurde oder man auch mal fünfe gerade sein lassen kann („Da sind VIER Lichter!“… Anspielung auf andere Zeiten), dann kann man „Picard“ als eine Serie sehen, die eigentlich sehr vielversprechend anfängt, dann aber ein bisschen an der Unfähigkeit der Autoren scheitert, Dinge, die sie eingeführt haben, auch angemessen zu benutzen, Dinge allgemein zu durchdenken und dann zu einem sinnvollen Ergebnis zu führen. Trek-Fans werden hier keine ihrer lieb gewonnenen Figuren wiedererkennen, vom Aussehen her schon, aber nicht von dem, was sie tun und wie sie sich verhalten. Das Ganze ist durchaus unterhaltsam, hätte aber auch durchaus ausgefeilter sein können. Aaaaaaber…
TRIGGER WARNUNG:
Das Thema Selbstmord wird in dieser Serie in Wort und Bild mehrfach angesprochen. Bei wem das etwas auslöst, der sollte vielleicht lieber den ersten Kontakt meiden.
Ab 14. Januar 2021 auf DVD und Blu-ray.