Gibt es das überhaupt noch? „Das Buch zum Film“? Oder ist das ein Relikt aus meiner Jugend?
Sicherlich steht heute noch auf manchen Büchern „Das Buch zum Film“ – fälschlicherweise. Denn bei vielen davon müsste es doch eigentlich eher heißen „Das Buch zum Film zum Buch“, also quasi „Das Buch, auf dem der Film basiert“. Zum Beispiel bei „Der Herr der Ringe“, „Der Hobbit“ oder den ganzen Twilight/Potter/Hunger-Büchern. Da gab es erst die Bücher und dann hat man, dank deren Erfolg, auch noch Filme daraus gemacht. Weshalb man ca. einmal pro Jahr Arthur Conan Doyles „Der Hund von Baskerville“ neu herausbringen könnte, mit dem Vermerk „Das Buch zum Film“, wenn da auch nie ganz klar wäre, zu welchem.
Der Scherz-Verlag (kein Scherz, der heißt oder hieß wirklich so) hat es dann auch gerne gemacht, bei der Neuauflage eines Bond-Buches den aktuellen Filmtitel zu verwenden; so besitze ich das Buch „Sag niemals nie“, obwohl es eigentlich das Buch „Feuerball“ ist. Und ich habe zwei verschiedene Ausgaben des nahezu selben Buches, „Tod im Rückspiegel“ und die Neuauflage „Der Hauch des Todes“.
Lesen oder sehen?
Da es heute lediglich drei Arten von Filmen gibt, Fortsetzungen, Buch-Adaptionen und Remakes (manchmal auch alles in einem), ist die Nachfrage nach Büchern zum Film vielleicht kleiner geworden. Obwohl ich nicht glaube, dass es daran liegt. Das ganze mag ein bis drei andere Gründe haben: Video, DVD, Internet.
Früher, das hören wir immer, war alles besser. Stimmt nicht so ganz; was an dem Satz aber völlig korrekt ist, sind die Worte: „Früher war alles“, und zwar „anders“. Zumindest in meiner Kindheit. Video war für die meisten noch unerschwinglich, DVDs waren bestenfalls ein feuchter Traum irgendwelcher Computergeeks und das Internet kam nichtmal angemessen in der Science Fiction Literatur vor. Es gab noch Betamax, bevor sich das angeblich schlechtere VHS durchsetzte, und, wer es sich leisten konnte, hatte Super8-Filme – mit Ton, aber oft nicht mit dem ganzen Film. Das Fernsehen hatte zunächst drei Kanäle, je nachdem, in welchem Einzugsgebiet man wohnte. Die Ausstrahlung der ersten Bond-Filme im deutschen Fernsehen war eine Sensation, das waren die Zeiten.
Und was tat man, wenn man einen Film gut fand? Was war der einzige Weg, auf dem man noch einmal in seine Welt eintauchen konnte, ja, wie man ihn kennen lernen konnte, wenn er bereits aus dem Kino verschwunden war und man nur von ihm gehört hatte? Genau, man kaufte sich das Buch, das Buch zum Film!
Adaptionen des Drehbuchs
Das war damals ein Markt, nicht unbedingt ein riesiger, weil sich wohl die wenigsten großen Literaturfreunde etwas so banales wie ein Buch zum Film kaufen würden, aber für Freunde des Films war das eine Möglichkeit. Denn es gab noch keine Videotheken und wenn ein Film aus dem Kino raus war, war er raus und eventuell hatte man Glück, dass er im Sommerfestival noch einmal gezeigt wurde, falls man da nicht gerade mit seinen Eltern im Urlaub war. Also kaufte man sich das Buch zum Film.
Das wich immer ein wenig vom Film ab. Die Dialoge waren anders (z.B., weil man nicht die Texte der deutschen Synchronfassung verwendete, sondern natürlich direkt aus der Buchvorlage übersetzte) und die Handlung teilweise auch. Denn, wenn ich das richtig sehe, wurden die Bücher anhand der Drehbücher zu den jeweiligen Filmen gegeben und da sie zeitgleich mit dem Film herauskommen mussten, gab es keine Zeit, Änderungen beim Film auch in das Buch einfließen zu lassen. Außerdem sind sie ein wenig umfangreicher, haben Szenen, die weder im Film auftauchen noch möglicherweise dafür angedacht waren, denn man musste ja auch irgendwie die Seiten auffüllen, anstatt schlicht das Drehbuch abzuschreiben. Das kann bei einem guten Autor zu Verbesserungen führen, kann aber auch das genaue Gegenteil bewirken.
Bücher, die die Welt nicht liest
Es gab da eine ganze Menge. „Der einzige Zeuge“, „Wall Street“, „Mississippi Burning“. Zu gerne hätte ich „Blues Brothers“ gehabt, aber das gab es bei uns nicht. Auch „Das Leben des Brian“ kam erst später heraus, als Drehbuch und unter dem schwachsinnigen Titel „Das Leben Brians“, weil sich da wieder irgendein Redakteur für besonders clever hielt, aber so was macht man mit einem Kultfilm nicht, ihr Trottel!
Ach, damals gab es so einiges, „Zurück in die Zukunft“, „Das Ding aus einer anderen Welt“, „Die Klapperschlange“, „Alien“… eine ganze Menge. Bei „Star Wars“ und „Star Trek“ gab es auch Bücher, die die Geschichte weiterführten, was im Filmbereich ja mehr als ein Jahrzehnt auf sich warten ließ – und dann mehr als enttäuschend ausfiel. Aber hier hatte man Material und man konnte alles in seiner Phantasie weiterspielen lassen.
Bei „Angel Heart“ gab es nicht nur das Buch, auf dem der Film basierte, sondern separat auch das deutsche Dialogbuch. Das war mal was anderes. Eine besondere Art, an Filme heranzugehen. Damals war das alles noch toll… aber die Zeiten ändern sich – und man selbst ändert sich auch. Erst kürzlich habe ich John Gardners Buchadaption von „Lizenz zum Töten“ gelesen, und die zu „GoldenEye“… die ich nach 40 Seiten abgebrochen habe, weil es wirklich zu schlecht war. Aber das ist der Unterschied zu damals: In jener Zeit kannte man die Filme nicht so gut, wie auch, da war man froh über alles, was damit zu tun hatte.
Moderne Zeiten
Also gibt es heute noch Bücher zu Filmen? Zu „Transformers“, zu „G.I. Joe“, zu „Fluch der Karibik“? Wie ich höre, gibt es die in Amerika wohl noch, zumindest aber als Bücher für junge Menschen… oder Kinder. Möglicherweise aber nur noch für Blockbuster? Hin und wieder sehe ich auch welche zu „Tatorts“, aber letzten Endes ist das doch eigentlich völlig anachronistisch. Nicht, weil die Leute heute nicht mehr lesen würden; dazu waren wir damals quasi gezwungen. Sondern weil die Filme selbst heute so unglaublich leicht verfügbar sind, zumindest die meisten. Ob als altes Video, als DVD, BluRay oder Download, heutzutage muss man sich nicht mit Lesen herumquälen, sondern kann fast alles sehen, nach dem das Herz begehrt – und das sogar in unterschiedlichen Sprachen.
Einerseits ist das natürlich ganz schön, weil man so seinem Hobby als Filmfreund ungehemmt frönen kann. Andererseits wird den Leuten aber auch etwas genommen. Statt mühsam zu recherchieren, nach Büchern oder Informationen über einen Film zu suchen, gibt einem das Internet in Sekundenschnelle die gewünschten Auskünfte. Das ist einfach und bequem, führt aber auch dazu, dass die Menschen letzten Endes einfach und bequem werden. In den früheren Zeiten musste man sich für manche Dinge noch ein bisschen anstrengen; seinen Verstand nutzen, wo heute ein Knopfdruck reicht. Insofern betrachten wir den Tod des Buchs zum Film als Opfer einer neuen Zeit, in der verschiedene Dinge einfach nicht mehr gebraucht werden. Ob das besser oder schlechter ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Also ändern wir doch einfach den Spruch „Früher war alles besser“ in „Heute ist alles leichter“, ich weiß zwar nicht, ob das wirklich stimmt, aber vielleicht klingt es einfach etwas optimistischer.
In diesem Sinne, ruhe sanft, „Buch zum Film“, du wirst einfach nicht mehr gebraucht!
von Martin Cordemann