Dracula ist wieder da…
Machen wir uns keine Sorkin
Man könnte sagen, Steven Moffat ist so eine Art britischer Aaron Sorkin – und man könnte damit absolut falsch liegen. Nichtsdestotrotz sind beide großartige Autoren, die Serien mit ihrer Intelligenz und ihrem Humor prägen. Mit „The West Wing“ hatte Sorkin seine große Serie, „Coupling“ war das gleiche für Moffat. Danach haben beide unterschiedliche Felder gefunden, die sie aber konsequent beackern. Dabei hat sich Sorkin auf die Umsetzung von Stoffen nach wahren Begebenheiten spezialisiert, bislang eher in Filmform, während Moffat, der zwischenzeitlich natürlich auch am Runder von „Doctor Who“ war, in eine andere Richtung geht. Und zwar die Neuverarbeitung klassischer Stoffe der Literatur. Mit seinem großartigen „Jekyll“ hat es begonnen, dann folgte der Welterfolg „Sherlock“, zu dem er ein paar grandiose Episoden beitrug, und nun haben wir mit „Dracula“ die dritte klassisch-kriminalistisch-horrormäßige Figur, der er neues Leben einhaucht – oder Blut in dem Fall. In allen drei Fällen begleitet ihn der ehemalige „League of Gentlemen“… Gentleman Mark Gattis, der außer bei „Jekyll“ als Ko-Autor/Schöpfer und in allen drei Serien auch als Schauspieler in Erscheinung tritt. Da ich ein großer Fan von Moffat bin, liegt die Latte nun also extrem hoch…
Ist der berühmteste Blutsauger der Welt ausgelutscht?
Die Serie erstreckt sich über drei 90minütige Episoden. Die erste erinnert ein bisschen an „Francis Ford Coppolas Bram Stokers Dracula“, hier und da mit ein paar Spielereien um das Thema herum und einem kleinen Hauch von Humor. Ersteres ist ohnehin das Prinzip dieser Moffat-Bearbeitungen, ein bisschen mit dem Altbekannten zu spielen, Figuren und Namen zu benutzen, aber nicht unbedingt so, wie man das kennt und erwartet, was am Ende zum Beispiel mit Renfield geschieht. Höhepunkt hier – und auch in allen anderen Folgen – ist die Nonne, besonders wenn sie auf Konfrontationskurs mit dem Beißer ist. In der zweiten Folge bietet man dann etwas, das bislang ein Mysterium war. Wir erinnern uns, dass Garf Orlock auf dem Schiff, das ihn nach England bringt, aus seiner Kiste steigt und gar Max Schrecklich erscheint. Auf diesen Teil der Geschichte, was genau auf dem Schiff passiert, wird sonst eher nicht eingegangen – hier widmet man der Sache eine ganze Folge und schafft damit nicht nur seine eigene Mythologie, sondern auch eine Erklärung… vielleicht sollte Moffat mal eine Neubearbeitung von „The Lost World – JurassicPark“ machen und erklären, was auf dem Schiff mit dem Dino und der appen Hand so abgegangen ist, also außer der Hand. Im letzten Teil dann löst man sich recht weit von der Vorlage und wandelt eigentlich ein bisschen auf Jekylls Pfaden. Das verleiht dem Ganzen einen neuen Anstrich und eine neue Richtung… ob das gefällt ist eine andere Sache.
Bonus
Featuretten und ein Audiokommentar, in denen man einiges erhellendes über die Hintergedanken der Autoren und die Produktion der Serie erfährt.
Mit
Claes Bang (Marcus Off), Dolly Wells (Alexandra Wilcke), Morfydd Clark (Jodie Blank), John Heffernan (Viktor Neumann), Joanna Scanlan (Karin David, Shasha Dhawan (Marius Clarén), Clive Russell (Reinard Scheunemann), Mark Gattis (Tobias Lelle)
[Besprechung erfolgt nach Sichtung der Originalfassung]
Fazcula
Der Dreiteiler fügt der bekannten Mythologie ein paar neue Aspekte hinzu, spielt ein wenig mit dem, was man weiß und ändert ab und an ziemlich die Richtung. Hin und wieder flackert der großartige Humor in den Dialogen und Sprüchen auf, doch das hätte weit öfter sein können. Es ist gleichzeitig eine alte und eine neue Art von Dracula, die durchaus unterhaltsam ist, aber leider nicht an das Niveau von anderen Arbeiten Moffats heranreicht. Ab 26. März 2021 auf DVD und Blu-ray.