Heimkino: THE ZONE OF INTEREST

© 2024 LEONINE Studios

Das bürgerliche Leben hinter der Mauer – hinter der sich etwas schreckliches verbirgt…

Nebenan wohnt der Tod

Schon bevor ich ihn zu sehen bekam wurde halt viel erzählt, dass da die Leute neben dem Konzentrationslager wohnen, aber man sieht nichts davon, all die Grausamkeit hört man nur – und das wäre sehr effektiv. Vielleicht waren das zuviele Vorschusslorbeeren, aber so richtig funktioniert hat das bei mir nicht, leider. Denn das Konzept ist eigentlich nicht schlecht. Aber die Ermordungen im Lager fanden weniger durch Erschießen als durch Vergasen statt. Würde man ständig Schüsse hören, wäre man akustischer Zeuge des Massenmords. Hier wird zwar am Anfang mal ein Ofen eingeführt und eines Nachts sehen wir die Flammen über der Mauer, aber das ist eine Stufe zu spät, denn das ist nicht die Ermordung, die Tat, das ist das Beseitigen der Beweise dafür, was zwar widerlich und eklig ist, aber nicht so brutal wie der Mord selbst.

Gräusliche Gewalt

Es gäbe ein paar Möglichkeiten, wie man das Ganze, in meinen Augen, hätte aufziehen können. Zum Beispiel als eine Art „Twilight Zone“, in der man die ganze Zeit das Gefühl hat, da spielt sich nebenan hinter der Mauer etwas ab, während wir nur das nette Leben davor sehen und am Schluss erfahren wir, dass wir Nachbarn von Auschwitz waren, wo rund um die Uhr gemordet wurde. Schock-Ende, aber schwer machbar, weil wahrscheinlich jeder vorher schon davon gehört hat.

Dann wäre da die Option gewesen, die Figuren komplett zu fiktionalisieren. Normalbürger, die neben der Mord- und Vernichtungsfabrik wohnen und ihr normales Leben leben, während man langsam erfährt, was nebenan furchtbares passiert. Dadurch hätte man einen tollen Kontrast zwischen den beiden Seiten geschaffen, womit man sehr gut hätte arbeiten können.

Knackpunkte

Die Probleme, die ich bei der ganzen Sache sehe, die sie für mich weniger effektiv machen, sind aber vor allem folgende: Die Figuren, besonders der Vater, sind aktiv mit dem Lager verbunden, denn er ist der Kommandant. Man sieht auch öfter Gefangene im Garten. Dadurch ist weniger Distanz geschaffen. Und sie sind aktiv am Massenmord beteiligt, was sie nicht zu Randfiguren der Geschichte sondern zu Tätern und Mittätern macht, wobei ersteres einen interessanteren Blick erlaubt hätte. Das Hauptproblem, das ich aber damit habe, dass es sich um reale Personen handelt, die es wirklich gegeben hat, ist, dass ich bezweifele, dass sich das alles wirklich so abgespielt hat. Es sei denn, es gibt klare Aufzeichnungen und Tagebücher darüber, die all dieses gezeigte Verhalten bestätigen. Der Nachspann gibt an, dass das Ganze auf einem Roman basiert, womit es schonmal einen Schritt von der Realität entfernt ist und das rückt all das in den Bereich der Spekulation wenn nicht gar Unterstellung und damit auch wieder Fiktion, für die man echte Personen missbraucht – und mit sowas hab ich prinzipiell ein Problem.

Bonus

Ein ausführliches Interview mit den beiden Hauptdarstellenden und Blicke hinter die Kulissen, in denen man sogar erfährt, was der Titel bedeutet, was einem der Film selbst eher nicht sagt.

Mit

Sandra Hüller, Christian Friedel

Regie: Jonathan Glazer

The Zone of Nazirest

Der Grundgedanke ist faszinierend, aber ich hätte mir eine andere Umsetzung gewünscht. Hier wäre in meinen Augen ein starker Kontrast hilfreich. Wenn wir Papa schon bei der täglichen Arbeit am Völkermord sehen, dann sollte das häusliche Leben umso banaler sein, fern ab vom Mordgeschehen. Dass gezeigt wird, wie die Frau des Hauses von von Ermordeten gestohlenen Kleidern profitiert ist gut, könnte aber mehr sein. Die Grausamkeit allein über Geräusche darzustellen ist ebenfalls interessant, in der Umsetzung für meinen Geschmack aber auch nicht stark genug. Banales Leben im Kontrast zu grausamem Genozid zeigen, das eine süßlich, das andere widerlich, könnte die Wirkung erhöhen. Was die Sachlichkeit des Massenmords angeht, macht die „Wannseekonferenz“ ihre Sache besser. Ab 14.6.2024 auf DVD und Blu-ray.

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