Neu auf DVD: Fassbinders Acht Stunden sind kein Tag / Digital Remastered

Eine Familienserie

Von Rainer Werner Fassbinder.

Fünf Episoden gutes Fernsehen!

Fast ist es, als greife Fassbinder der Entwicklung des Fernsehens oder vielmehr der Serien voraus, denn die „Acht Stunden“ bildet einen abgeschlossenen Handlungsbogen und wirkt dadurch eher wie ein Roman im Serienformat als wie Fernsehen der 70er Jahre. Es gibt viele Figuren, von denen die meisten, die Familie, gleich in der ersten Szene eingeführt werden und die den Zuschauer über die ganze Serie begleiten.

Familie, Arbeiter, Beziehungen & Oma

Darauf könnte man die Serie zusammenfassen. Zwar haben wir eine Familie mit drei Generationen, aber die mittlere mit Vater spielt eigentlich keine große Rolle. Im Mittelpunkt stehen in erster Linie Sohnemann Gottfried John, sowohl was seine Arbeit, als auch, was seine Beziehung mit Hanna Schygulla angeht. In jeder Folge wird sich aber auch auf eine andere Konstellation aus dem Umfeld konzentriert – und da spielt die resolute Oma von Anfang an eine tragende Rolle. Ebenso wie der Betrieb, in dem Johns Figur arbeitet. Der Unterschied zwischen Arbeiter und Führungsriege wird gut dargestellt und eine Art Klassenkampf gezeigt, der sogar zu Entwicklungen führen kann.

Fass, Binder!

Für den oft gerne als Enfant Terrible dargestellten deutschen Regisseur Rainer Werner Fassbinder wirkt das alles ausgesprochen bodenständig. Es ist eine gute Handlung, die mit guten Schauspielern gut erzählt ist. Hier und da sind die Dialoge zwar ein wenig redundant, aber alles in allem ist eine sehr gute Serie herausgekommen, die durchweg interessant und spannend ist.

Ein kleines Kuriosum ist, dass sie Köln ohne Lokalkolorit zeigt. Zwar gibt es nur drei Hinweise darauf, dass die Serie in Köln spielt, nämlich den Arbeitsplatz Stadtanzeiger, das Trinken von Köln und in der vierten Folge die einzige Sichtung des Doms, aber auf das gesprochene Kölsch und andere kölsche Dinge wird komplett verzichtet. Prinzipiell wäre die Geschichte inhaltlich auch eigentlich eher im Ruhrpott zu verorten, so wird sie durch die Mischung aber irgendwie universeller, was ihr eigentlich ganz gut tut und damit sowohl Ruhrpott- als auch Kölnklischees angenehm umschifft.

Loriot

Eine Sache wäre da allerdings… Dem Kenner des Werkes von Vicco von Bülow stellt sich die Frage, ob Loriot vielleicht subversiver war, als man immer gedacht hat. Sicher, er kannte „Monty Python“, das wird im Sketch mit der toten Maus offensichtlich, und auch das Mainzelmännchen/frauchen, das seine/ihre Titten zeigt, kommt schon recht unerwartet, aber wenn man „Acht Stunden“ betrachtet, fragt man sich, ob einige seiner Sketche nicht vielleicht eine direkte Persiflierung von Fassbinder oder zumindest dieser Serie sind. Allein die erste Szene der Serie schreit förmlich Loriot. Möglich wäre es, da die „Acht Stunden“ von 1972/73 stammen und Loriots Serie erst 1976 kam. Dass dann auch noch einer von Loriots Stammdarstellern, der unvergessliche Heinz Meier, hier eine Rolle spielt, die ebenfalls sehr an manches aus Loriots Feder erinnert und dann sogar Irm Herrmann dabei ist, „du guter“, die erst zu „Pappa ante Portas“ zu Loriot stieß, in beiden Rollen aber sehr ähnlich wirkt, scheint diese Theorie zu unterstützen.

Aber nicht nur Loriot hatte seine Lieblingsschauspieler, auch aus dem Hause Fassbinder sind hier einige anzutreffen, mit denen er gerne oder zumindest öfter gearbeitet hat. Hanna Schygulla gehört ebenso dazu wie Brigitte Mira und Klaus Löwitsch, die sich hier ebenfalls die Ehre geben. Und sogar Walter Sedlmeyer ist in einer Szene zu sehen… aber an den wird sich wohl außer mir kaum jemand erinnern.

Bonus

Eine schöne Doku, die alte und neue Interviews miteinander mischt und so einen guten Eindruck von der Serie, aber auch, wie sie in den 70ern aufgenommen wurde, gibt.

Mit

Gottfried John, Hanna Schygulla, Luise Ullrich, Werner Fincke, Irm Herrmann, Walter Sedlmeyer, Heinz Meier, Brigitte Mira, Klaus Löwitsch – Regie: Rainer Werner Fassbinder

Acht Stunden sind kein Fazit

Sehr gutes Fernsehen aus Deutschland, vielschichtig, spannend, interessant und vor allem: sehenswert! Ab 9.2.2017 auf DVD und Blu-ray.